Indien, irgendwie hört man viel davon, doch war es für mich schwer einzuordnen was ich davon halten sollte. Viel Chaos, Müll, Gestank, Hitze und unheimlich viele Menschen klingen (bis auf das Chaos) für meinen Geschmack ja eher abschreckend, doch irgendwie schwärmen dann doch so viele von diesem Land. Naja, da hilft nur ausprobieren und hinfahren und da man im Himalaya anscheinend auch ganz gut Bouldern kann, war unser erstes Ziel schnell gefunden.
Nach unserem Roadtrip durch Südafrika ging es über Abu Dhabi nach Delhi. Und nach ca. 24 Stunden reisen komplett fertig ins Chaos von Indien. Nach dem Roadtrip und dem Flug hatten wir erstmal genug vom rumreisen und wollten direkt ins Himalaya um mal wieder länger an einem Ort zu bleiben. Unser Plan war direkt in einem gemütlichen Nachtbus gen Norden zu fahren und den letzten Teil dann mit einem Taxi zu absolvieren. Eigentlich nicht schlecht der Plan, wenn der Nachtbus vom Flughafen gestartet hätte, wie wir dachten. Doch hatten wir uns irgendwie zu schlecht informiert (oder nicht richtig zugehört). Also erstmal über den Flughafen rennen und sich durchfragen wie man zum Busbahnhof kommt (und sich an das indisch-Englisch gewöhnen). Wir entschieden uns dann letztendlich für die kostengünstigste Alternative: Linienbus – und wackelten erstmal eineinhalb Stunden durch den Stadtverkehr Delhis bis wir dann auch tatsächlich am Busbahnhof ankamen, bzw. mitten auf einer Straße davor. Naja und so ein bisschen durch den indischen Verkehr zu hampeln ist dann auch nicht leichter wenn man 3 Crashpads, Kletterseile und jeweils ca. 40kg Gepäck pro Person hat (und ja das Gepäck ist alles notwendig, z.B. haben wir das 80m Seil und die Exen ja auch einen Tag benutzt). So bepackt musste nur noch der richtige Bus gefunden werden, so klein ist der Busbahnhof von Delhi aber gar nicht! Zum Glück hat sich ein wirklich netter Inder unserer angenommen, der uns mega geholfen hat, indem er uns zum richtigen Schalter geführt hat um dort herauszufinden, dass es leider keinen gemütlichen Nachtbus mehr gibt sondern nur noch normale holprige Buse. Da wir das Taxi ja schon vereinbart hatten mussten wir aber trotzdem noch in der Nacht los und so war eben nicht so viel mit gemütlich schlafen. Nach ein wenig Diskussion vereinbarte unser indischer Freund dann auch noch, dass wir das Gepäck auf dem Dach mitnehmen konnten (zum Glück hatten wir ja noch die Spanngurte da) und besorgte uns die entsprechenden Tickets. Immerhin hatten wir so unfreiwillig die kostengünstigste Alternative gewählt und mit indischen Bollywood Dudelduetten aus den Lautsprechern wurden wir auch blendend während der Fahrt unterhalten.
Der Fahrstil der indischen Busfahrer ist erstmal sehr gewöhnungsbedürftig und die Geschwindigkeit, die trotz der vielen Kurven auf den Passstraßen gehalten wird auch. Aber die Bremsen des Buses schienen trotz quietschen auch bergab halbwegs zu funktionieren und irgendwann ändert sich der Eindruck über den Fahrstil von erschreckend zu beeindruckend. Dann nur noch 10 Stunden Taxi und ein paar Bergstraßen mehr und wir waren angekommen im (Boulder) Paradies, auch wenn wir erstmal nur schlafen wollten. Am nächsten Tag trafen wir dann Bernd Zangerl und bekamen von ihm erstmal eine Einführung in den Zauberwald und man merkte direkt wie viel Herzblut er in die Entwicklung dieses Bouldergebiets gesteckt hat und auch immer noch dabei ist. (Hier angemerkt: näheres zu dem Gebiet werden wir hier nicht veröffentlichen, da dies zu gegebenem Zeitpunkt vom Haupterschließer selbst gemacht werden sollte / wird). Nach der kompletten Überflutung an Eindrücken ging es dann auch direkt ans Bouldern. Top Lines gibt es auf jeden Fall genug, man muss sich eben nur entscheiden und auch das gelang irgendwie und wir konnten die ersten Boulder klettern und Projekte waren gefunden. Von der Landschaft, Atmosphäre und Ruhe war ich von Anfang an begeistert und auch die Boulder machten meist richtig Bock, doch gab es Tage an denen ich irgendwie keinen Spaß am bouldern hatte. Nach langer Analyse bemerkte ich schließlich, dass es immer der 2. Klettertag in Folge war an dem ich keinen Spaß hatte. Das Gestein ist hier einfach zu rau und scharf. Nachdem der Rhythmus auf ein Kletter- und ein Ruhetag umgestellt wurde, war jedoch jeder Klettertag Hammer. Während Andrea eigentlich ganz gut reingefunden hat, tat ich mir zuerst schwer, da die Boulder hier oft sehr maximalkräftig, leistig und nur leicht überhängend sind (ich kann eher lang, steil und dynamisch). Nach etwas Eingewöhnung wurden jedoch sowohl Leistenpower als auch Fußtechnik besser und mit Kokochai wurde der erste schwerere Boulder geklettert (Achja, es gibt hier keine wirklichen Grade also stellt euch einfach vor, dass alles Monster-schwer ist).
Eigentlich waren wir ja auch hergekommen, um noch ein wenig neues Zeug zu klettern und trotz der Arbeit die Bernd und Co. schon geliefert hatten gab es noch massig lohnenswerte Lines die geputzt werden wollten. Gerade in den mittelschweren Graden konnte sich Andrea austoben und einige wirklich coole Boulder erstbegehen. Dabei entstanden unter anderem: „Fledermausland“, „Garden of Eden“ oder „Hello to the Queen“. Aber auch ich konnte einige Lines finden und klettern und da man ja immer das am ehesten sieht was man am meisten mag, gibt es jetzt auch mehr steile Boulder, Kanten und Bugklettereien. Highlights waren hier „Griffpuzzle“ und „Hidden path“. Weiter putzte ich ein schönes Dach, bei dem mir im ersten Versuch fast der Startgriff auf den Fuß flog (auch nur ca. 50kg). Sonst war die Felsquali allerdings sehr gut und ich konnte den Boulder dann auch ca. 5 min nach Bernd klettern. Alles in allem ist es hier ein super Mix zwischen suchen, putzen und einfach klettern von schon bestehenden Linien.
Mein ausgeklügelter (nicht ganz ernst gemeinter) Indienplan war ja erstmal Magen-Darm zu kriegen (was angeblich hier nicht so schwer ist), dann abzunehmen und dadurch mega stark zu werden. Und so realitätsfern war der Plan gar nicht. Denn obwohl die Küche hier in unserem Hotel richtig lecker und auch recht hygienisch war (man kann hier sogar das Leitungswasser trinken), saß ich irgendwann recht oft auf dem Klo und lag im Bett. Nur war der Plan mit deutlich weniger Spaß verbunden und ich musste mich des Öfteren aus meinem Körper wünschen (hat leider nicht geklappt). Nach 4 Tagen war das Ganze auch überstanden und es konnte wieder geknüppelt werden. Und tatsächlich war die Form ziemlich gut (vlt. sogar besser als je zuvor) und fast jeden Tag konnten weitere (natürlich Monster-Schwere Boulder) geklettert werden (teils sogar mehrere an einem Tag, was für mich echt untypisch ist J). Dies lag auch daran, dass es dann doch mehr dynamische Boulder gab wie gedacht, z.B. das „lebende Labyrinth“ – ein ziemlich cooler Sprung, aber auch das leisten-halten wurde besser. Nur ein Boulder (Cookie of the day) wollte mich nicht hochlassen. Ich hatte an den ultra scharfen Mini Leisten dieses Boulders immer das Gefühl kurz vor einem Ringbandriss zu sein und mir gleichzeitig eine Oberschenkelzerrung beim hooken zu holen. Leider war die Line aber zu geil um aufzugeben. Letztendlich stellte ich dann (nach ca. 5Tagen) die Startvariante um und die Angst war weg (größere Griffe, kein Hook). So konnte ich nun mehr Versuche pro Tag machen und den Boulder glücklicherweise klettern. Obwohl ich recht lange gebraucht hatte weiß ich immer noch nicht ob er (für mich) so schwer war, oder ob ich mich einfach nur dumm angestellt habe (egal kann man ja eh nicht mehr ändern).
Leider schien meine Krankheit zu allem Übel auch noch ansteckend zu sein und ich musste kurze Zeit nach meiner Genesung Andrea pflegen, die es unglücklicherweise noch schlimmer als mich erwischt hat. Sorry tut mir Leid. Doch auch diese Krankheit wurde (trotz zwischenzeitlicher Zweifel Andreas) nach einer Woche überstanden, was natürlich auch an meiner liebevollen Pflege* (und vlt. der etwas spät eingesetzten Medizin) lag. Auch Andrea konnte vor und nach der Krankheit rocken und hatte neben ihren Erstbegehungen ein Faible für die wirklich coolen Boulder die Steffen Kern entwickelt hat. So konnte Sie mit „The day snow came to town“ einen wirklich coolen Boulder klettern und versuchte sich mit „sugar confusion“ am nächsten Testpiece. Ich fand den Boulder, vor allem einen weiten Blocker darin, wirklich schwer (was Andrea aber irgendwie nicht abschreckte); auch dass ich meinte Einzelzüge zu projektieren ist wirklich hart (auch psychisch) schien eher noch zu motivieren und die Motivation war richtig hoch und es wurde auch immer besser. Leider hat es bisher noch nicht geklappt und ich hoffe, dass der Boulder noch fällt (hat leider knapp nicht mehr funktioniert).

Sugar confusion
Da wir an unseren Ruhetage vor allem viel herum wanderten, hatten wir in den ersten Tagen etwas abseits der Hauptsektoren noch 2 coole Boulder gefunden und angefangen zu putzen, doch aufgrund der vielen Ablenkungen (vor allem Hammer Boulder) versuchten wir uns erst recht am Ende unseres Trips an den 2 Problemen. Und sie stellten sich als richtig gut heraus. Nur noch kurz das Topout putzen (was wider erwartend ewig dauerte und ein 50kg Block beinhaltete), dann konnte versucht werden. Beide Boulder gestalteten sich als richtige Challenge, mit einem richtig schweren Zug. Und so pilgerten wir die nächsten Tage zu diesen Bouldern. Langsam fielen auch die Temperaturen und man merkte, dass der Winter vor der Tür stand. Während ich die Top Conditions feierte, war es Andrea kalt und der Tee am Fels konnte den ausgekühlten Fingern und Zehen nur bedingt Abhilfe verschaffen. Vlt. war dies auch einer der Gründe, warum Andrea die ersten 2 Züge ihres Boulders (der gestiefelte Kater) nicht aneinander hängen konnte und nur den Stehstart kletterte. Ich war meist danach an der Reihe, um die (noch kühleren) Abendtemperaturen zu nutzen. Nach einigen Sessions hatte ich die Körperposition des Cruxzuges immer besser verstanden und es fühlte sich an, als müsste ich nur noch im richtigen Moment zugreifen. Tat ich dann aber den ganzen Abend nicht. Eigentlich wollte ich schon zusammenpacken, doch dann machte ich, nicht gerade zur Freude meiner frierenden Freundin Andrea, noch einen einzigen „Doom Go“ (vlt. hatte ich das Wort letzter go schon öfters an diesem Tag verwendet). Irgendwie war die Kraft zwar weniger doch mit letztem Willen konnte ich die Crux endlich abhalten! Während ich dann bei den folgenden Zügen und Umlaufern wahrscheinlich fast durchgeschrien habe (ich denke keine Tiere und Anwohner wurden verstört), befand ich mich plötzlich wider Erwarten auf dem Boulder und hatte „Seam of scream“ erstbegangen. Hammer! Und ich hatte keinen Blödsinn mehr am Ausstieg gebaut (wie erstaunlicherweise auch in den anderen Bouldern hier). Vlt. hat mich das Vielklettern in letzter Zeit (zumindest zeitweise) tatsächlich zu einem etwas besseren Kletterer gemacht. Von dem Aufwand her könnte es einer meiner schwersten Boulder hier sein, vor allem da es eigentlich mein Style ist. Aber vielleicht habe ich mich auch nicht optimal angestellt, wer weiß.
Natürlich sind wir mal wieder etwas länger im Himalaya geblieben als gedacht, doch war es einfach viel zu schön hier um nicht zu bleiben. Denn nicht nur das Bouldern war der Hammer (wie wahrscheinlich ausführlich genug beschrieben), sondern auch alles drum herum, wie die Berge und das Dorf mit seinen freundlichen Bewohnern, das einfach eine Wohlfühlatmosphäre bildete.
Des Weiteren war es auch mal schön Hotelurlaub zu machen (den man sich in Indien auch bei längerer Reise noch leisten kann) und jeden Tag das richtig leckere Essen mit einer richtig coolen Aussicht zu genießen. Durch die längere Zeit hier lernte man auch den einen oder anderen Inder kennen und konnte etwas vertrauter mit den lokalen Gepflogenheiten und Traditionen werden. Wahrscheinlich ist die Ruhe hier oben in den Bergen eher untypisch für Indien und das Chaos war nur am Rande beim Busfahren zu sehen, doch bin ich sicher, dass wir hiervon noch genug auf unserer Reise nach Hampi mitbekommen werden (auch wenn diese nicht allzu lang ausfallen wird). Wir sind auf jeden Fall gespannt, aber müssen so oder so nochmal nach Indien.
*Anmerkung von Andrea: Ich lag alleine im Bett und habe Hörbuch gehört während Tom Bouldern war…!!!